…Brief for Failures

by | Jan 9, 2020

Einer der größten Unterschiede zur Arbeitsweise in Unternehmen und der professionellen Fliegerei ist etwas, was wir Fliegerumgangssprachlich „Briefing“ nennen. Es findet immer vor dem eigentlichen Flug statt – ich kann mich wirklich nicht daran erinnern einmal ohne ein „Briefing“ (Form und Umfang können natürlich unterschiedlich sein) fliegen gegangen zu sein.

Es ist eigentlich so, dass bei einem erteilten Flugauftrag für uns zunächst nicht die Startzeit (Take Off Time) die entscheidende Zeit ist – sondern die Briefing Zeit!

„Wann briefen wir?“ – ist meist die erste Frage, die nach Veröffentlichung des täglichen Flugplanes von allen Piloten gestellt wird.

Danach richtet sich alles andere – die Zeit, die zur Planung bleibt, und natürlich auch die Zeit, die so ein Briefing in Anspruch nimmt. Die Zeit dafür kann zwischen 15 Minuten für eine kurze knackige 1 gegen 1 Luftkampfübung von 2 erfahrenen Piloten bis hin zu mehreren Stunden bei grossen Übungen mit Combined Mass Air Operations (COMAO) oder Large Force Excercises (LFE) in Anspruch nehmen.

Das Briefing bei komplexen Missionen auf der Fighter Weapons School (Top Gun) durfte nicht länger als 75 min dauern – das war schon sehr lange, brauchte man aber auch durchaus.

Aber warum tun wir uns das an, nach langer detaillierter Planung auch noch Zeit mit einer Art Meeting zu vergeuden?

Ganz einfach – weil dies einer der entscheidenen Schritte im Mission Prozess überhaupt ist – das Briefing entscheidet über den Erfolg der Mission – nicht notwendigerweise der Plan.

Der Plan kann noch so gut sein – ein schlechtes Mission Briefing kann ihn komplett zerstören. Andererseits kann ein suboptimaler Plan auch durch ein sehr gutes Briefing noch in eine erfolgreiche Mission umgesetzt werden.

Für uns als junge Piloten in unserer ersten Einsatzstaffel war es eine der größten Herausforderungen, die Kunst des Briefens zu erlernen. Denn nur wer eine gute Briefingtechnique hatte, wurde zum Formationsführer ausgebildet – zum Flight Lead – das ist der erste große Schritt in der Kampfpilotenkarriere auf dem Weg zum Combat Ready Status.

Dazu muss man es schaffen, die Informationen des Plans kurz, einfach verständlich und absolut präzise so zu „erklären“, dass auch der jüngste und unerfahrenste (=der dümmste) Pilot in der Formation weiss was er zu tun hat. Die Kunst ist es, die Sachen unmissverständlich auf den Punkt zu bringen – in einfacher Art und Weise (K.I.S.S. – remember…), und das ist gar nicht so einfach.

Das Briefing ist kein Meeting, keine Diskussionsrunde, es geht nur um Fakten und um das was wir gleich in der Luft tun werden. Erst zur Briefing Zeit kommen unter Umständen alle beteiligten Piloten überhaupt das erste mal wieder zusammen. Jeder hat in Planung eine andere Aufgabe und kennt noch gar nicht alle Details der Mission. Es geht also darum alle Piloten auf den gleichen Informationsstand zu bringen, die sie zur Erfüllung der Mission brauchen.

Dazu setzen wir mit dem Briefing die erste Deadline – die erste wichtige Zeit! Alles muss für das Briefing fertig sein, alle müssen spätestens 1 Minute vor dem „Timehack“ in ihren Stühlen sitzen, alle nötigen Unterlagen in der Hand. Wenn das nicht der Fall ist, haben wir in der Regel schon eine erste Tendenz wo es mit der Mission hingeht – nämlich den Bach runter…

Der Formationsführer ist verantwortlich für die Durchführung des Briefings – er hat den Speaking Part – exklusiv! Er setzt mit seinem Handeln auch den „Tone“ für die Mission, ist er präzise und selbstbewusst, oder unsicher und konfus. Genau in diese Richtung wird die Mission hinterher abdriften, je nach Führungsperformance.

Die Inhalte folgen einer strikten Agenda, die mehr oder weniger immer gleich ist. Der Flow ist wichtig, weil er einem logischen Konzept der Mission folgt. Es ist so leichter seinem Kopf mental in die Mission zu bekommen. Die Mission wird während des Briefings praktisch schon einmal mental geflogen.

Wir beginnen immer mit dem Missionsziel – dem Objective – an diesem müssen wir uns hinterher messen lassen. Danach kommt relativ kompakt die sogenannte „Motherhood“ – alles Adminstrative wird hier vorgestellt: Wetter, Material, Ressourcen, Teilnehmer, Flugzeuge, NOTAMS, Restriktionen, Ground Ops, Take Off Flow, Treibstoff, Recovery Flow, usw. Praktisch alles, was die Rahmenbedingungen der Mission bestimmt.

Als nächstes folgt das sog. „Meat of the Mission“ – also alles, was zwischen Start und Landung passiert. Zunächst geschied das mit einem generellen Überblick oder „Big Picture“ über den Gameplan – der taktischen Grundlage des Plans.

Dieses „Big Picture“ wird nun in den einzelenen Teilen detailliert gebrieft – jeder Teil separat.  Dazu gehören die Route, Halteplan oder Holding; Luftbetankung; Angriffsverfahren, Waffeneinsatz, Rules of Engagement, Ausweichrouten, Trennung vor dem Ziel und wieder zusammenfinden, Abwehrmassnahmen und Manöver gegen andere Flugzeuge.

Zum Schluss reden wir über alles, was wir in der Luft nicht wirklich sehen oder haben wollen. Trotzdem ist überlebensnotwendig, sich mit diesen unangenehmen Dingen schon am Boden auseinander zu setzen. Es werden alle Dinge angesprochen, die schief gehen können – alle möglichen „What If’s“ – mit der dazugehörigen Lösung! Für jede erdenkliche Situation muss folgendes festgelegt werden:

  1. Der Trigger – Der Auslöser für eine vorbestimmte Reaktion – Wann muss gehandelt werden?
  2. Wer muss handeln?
  3. Wie muss gehandelt werden?

Diese „Contingency Plans“ werden alle am Boden festgelegt – in der Luft müssen wir auf plötzliche Veränderungen vorbereitet sein – wir müssen agieren und nicht reagieren – immer einen Schritt voraus sein. Das bedeutet, dass die Handlungen für alle Entscheidungen in der Luft, schon am Boden getroffen werden müssen.

Sie werden vielleicht denken, das geht ja gar nicht. Für alle Eventualitäten einen fertige Handlung zu haben – unmöglich. Sie haben damit vermutlich sogar recht. Die Lösung, die wir fertig in der Tasche haben, mag nicht immer eine 100% Lösung sein – aber wie viele Lösungen sind wirklich so? – es sind vielmehr Kompromisse. Aber diese Kompromisse funktionieren erstaunlich gut – es muss nicht immer die perfekte Lösung sein – in der Regel reicht die gute Lösung, korrekt durchgeführt – aus. Das kann sogar bedeuten, dass es an einem Bestimmten Punkt gut sein kann, umzukehren und alle wieder sicher nach Hause zu bringen, um es am nächsten Tag unter besseren Bedingungen erneut zu probieren.

Gutes Briefing = Gute Situational Awareness (SA)

Gute Situational Awareness in der Luft und die Grundlage für jede Entscheidung. Wir wollen mit einer Art Wissensvorsprung in das Flugzeug steigen, um schon beim Triebwerksstart mental „vor dem Flugzeug“ sein. So können wir Veränderungen besser antizipieren.

Ein Briefing ist dazu das universale Tool, um Mitarbeiter auf die bestehende Aufgabe noch besser vorzubereiten, alle ins gleiche Boot zu holen und Prozesse und Abläufe schon im Vorfeld besser zu organisieren – und sie nicht erst dann zu testen, wenn der Plan den Bach runter geht.

 

Plan for Success…Brief for Failures