There I was…

by | Jan 17, 2020

Zeit für eine kleine Story. Fighter Pilot‘s lieben es Geschichte zu erzählen. Dabei gilt es sich an folgende Regel zu halten – der Wahrheitsgehalt muss bei mindestens 10% liegen!

September 2000, Holloman AFB, NM, Fighter Weapons School Instructor Course – SAT-5

Mission Objective: Hot Weapons – Chocolate Mountain Aerial Gunnery Range (5x BL755 Cluster Bomben, Hot Cannon), AAR, Tiefflug in 100’ Fuss, Routing Holloman AFB, NM – NAF El Centro, CAL

In der SAT Phase des TOP GUN Kurses wird jede Mission mit echter Bewaffnung (Live Weapons) geflogen. Dieser Flug war deswegen speziell, weil wir die geplante Bewaffnung für diesen Flug nur in den USA zu Übungszwecken einsetzen durften. Die geplante Beladung brachte den Tornado zwar nicht an das maximale Startgewicht, doch die voluminösen Bombenbehälter sorgen für einen sehr grossen Luftwiderstand. Zusammen mit den Temperaturen im Spätsommer in New Mexico und der Platzhöhe in Holloman von über 4.000 Fuss war die Ausgangslage für die Mission also durchaus spannend. Auch wird jede Mission von den Lehrern so vorgegeben, dass wir immer nur noch mit sehr wenig Treibstoff an den Tanker kommen konnten. Die Luftbetankung muss also fehlerfrei und sehr schnell erfolgen. Das ist selbstverständlich so gewollt – Pressure is on!

Wir waren der Flight Lead für 5 Flugzeuge auf dieser Mission. Callsign „Vader 1“

Die geplante Flugzeit für die Mission waren ca. 4 Std. und wir benötigten 2 Tankflugzeuge als Unterstützung – wir hatten eine KC-135 mit Adapter System und eine KC-135 mit Wingpod Stationen zur Verfügung.

Luftbetankung (AAR) – niemals nur Routine

Die KC-135 mit Adapter System kann ein ziemlicher „pain in the a…“ sein. Die US NAVY nennt Sie scherzhaft die IRON MAIDEN, weil es immer wieder zu Zwischenfällen beim betanken kommt. Das liegt daran, dass am Boom – Betankungausleger des Tankers ein ca. 3m langer Schlauch angebracht wird, damit Flugzeuge mit Korbsystem (z.B. Tornado, Eurofighter, F-18) in der Lage sind zu tanken. Der Schlauch verfügt über 2 Knickventile, die „geöffnet“ werden müssen – durch das Empfängerflugzeug (Siehe Foto). Dazu muss man den Kontakt mit dem Korb herstellen und dann eine Art „Loop“ in den 3m Teil des Schlauches legen. Im Slot hat man dann nur relativ wenig Bewegungspielraum und zusammen mit der etwas bescheidenen Powerresponse der Tornadotriebwerke und einem Flieger mit „Combatload“ war das ein echter Spass. Es gibt einige Piloten, die der Staffel für Zuhause ein Ausstellungsstück (Schlauch mit Korb oder auch nur Korb) als „Leihgabe“ vom Tanker direkt mit nach Hause gebracht haben – sieht gut aus in der Bar!

Das Wingpod System ist für das Empfängerflugzeug etwas Benutzerfreundlicher, man hat auf der Längsachse mehr Bewegungsspielraum, hat einigermaßen gute Referenzen und kann durchaus auch „in contact“ etwas entspannen. Deshalb nahmen wir uns als verantwortlicher Formationsführer ganz uneigennützig das Recht, den „leichten Tanker“ zu benutzen. Der Plan sah vor, das wir als Lead mit einer Instructor Crew den Wingpodtanker benutzen – hier konnte 2 Flugzeuge gleichzeitig betankt werden, und die anderen 3 Flugzeuge am Adapter Tanker Refuelen. So weit so gut…

Airbourne

Wir sind auf dem Weg zum Tanker Track. Alles läuft nach Plan. Die Kontrollstation gibt uns eine grobe Richtung zu den beiden Tankern und bestätigt, das die beiden Tanker auch „On Time“ sind – eine Variable weniger – looking good.

Wir bekommen Radarkontakt und bei ca. 12 Meilen Entfernung ein „Visual“ in 23.000‘ Fuss Höhe. Beide Taker sind im Tanker Track auf den gebrieften Höhen, in der gebrieften Formation – kann eigentlich gar nicht besser laufen. Wir führen den Joinup durch und rollen eine viertel Meile hinter unserem Tanker aus und gehen schnell durch unsere Air to Air Refueling Checks während wir uns dem Tanker langsam nähern. Wir nehmen den linken Korb, unser Wingman den rechten. Der Korb liegt recht stabil in der Luft und wir nähern uns der Precontact Postion.

„Exxon 61, Vader 1 is precontact, request contact, Top Off – 10.000 pounds“ (Info: US Luftwaffe misst in Pounds, bei Tornado in KG)

“Vader 1, you are cleared to contact”

Während der kleinen Konversation halten wir einen konstanten Überschuss von ca. 2 Knoten (3 sind das erlaubte Maximum) und sind Sekunden später „drin“.

„Vader 1, contact, good flow“ – Outstanding! – läuft…..

Wenn man einmal im Korb ist, geht es eigentlich nur noch darum die Position in Relation zum Tanker zu halten, man fliegt also „einfach“ Formation zu gewissen Referenzpunkten. Als Pilot ist man sehr auf diese Referenzen fixiert und hat nicht viele Möglichkeiten auf etwas anderes zu achten. Aber was sollte jetzt schon noch passieren…

„Oh wow, Chris guck mal rechts raus, schnell!“…

Warum soll ich nach rechts schauen, ich kann grad nicht – Ich bin am tanken…??

Durch den Nachdruck in der Stimme meines WSO (hinterer Sitz), habe ich mich doch dazu verleiten lassen einmal kurz hinüberzuspähen. Ich bekam gerade noch mit, wie der Betankungsschlauch des rechten Pods eine Welle bildete, die schnell auf unseren Wingman, der gerade den Kontakt hergestellt hatte, zulief. Die Welle erreichte das Flugzeug und riss den gesamten Betankungsausleger samt Korb einfach nach oben ab. Der segelte nun in die Wüste von Nevada.

YGBSM – (You Got to Be Shitting Me)…

Das konnten wir jetzt gar nicht gebrauchen. Jetzt hatten wir einen beschädigten Tornado, einen beschädigten Tanker und evtl. auch ein generelles Treibstoffproblem. Wir bekamen immer noch Sprit vom Tanker und ich entschied solange im Korb zu bleiben bis der Tankerpilot mir befehlen würde akzukoppeln. Bis dahin würde ich jeden Tropfen mitnehmen, den ich kriegen konnte.

Der übrig gebliebene Schlauch auf der anderen Seite wedelte im Luftstrom herum und verlor währenddessen weiter Treibstoff. Unser Wingman konnte zum Glück die Position halten und meldete auf Nachfrage, dass sein rechtes Triebwerk (der Betankungsstutzen ist auf der rechten Seite) in Ordnung zu sein schien, er aber die Reste des Betankungsauslegers nicht einfahren konnte.

Jetzt drehte uns der Tanker den Hahn ab.

„Sir, you have to disconnect now. We need to RTB (return to base).“

Ok, war ja nicht anders zu erwarten – “Vader 1 copies, disconnecting!”

Wir ließen uns zurückfallen und machten unsere Post Refueling checks während der Tanker zu steigen begann und auf Richtung nach Hause drehte. Wir überprüften die rechte Seite unseres Wingman auf Schäden, konnten aber ausser der Tatsache, das der halbe Ausleger fehlte, keine weiteren Schäden ausmachen. Die Mission konnten Sie aber so nicht weiterfliegen, also entschied sich unser Wingman für eine Landung auf dem nächsten Ausweichflugplatz – Nellis AFB, Nevada. Da wir mit echten Waffen an Bord unterwegs waren kann man nicht einfach irgendwo hinfliegen, aber Nellis war ok.

Wir checkten unseren Treibstoff. Für den Rest der Mission brauchten wir fast volle Tanks – wir waren noch nicht mal am Push Point für den Low Level Teil der Mission. Wir hatten knapp 4 Tonnen in der kurzen Zeit bekommen, aber das war nicht genug. Wir mussten noch mal am anderen Tanker nachfassen.

„Exxon 62, Vader 1, request“

„Vader 1, go ahead“

Exxon 62, our Tanker just had to RTB, we need to a couple more pounds to make the mission, request to join!”

“Vader 1, you are cleared to join, 3 chicks in tow.”

“Cleared to join, visual all 3.”

Wir näherten uns dem anderen Tanker auf der rechten Seite. Ein Tornado war noch am Korb, Vader 5, eine der Instructor Crews. Die anderen beiden waren schon fertig mit tanken. Wir flogen jetzt in Formation am rechten Flügel des Tankers und beobachteten den Betankungsvorgang. Der Empfänger sah etwas wackelig aus. 2- oder 3-mal legte sich der Schlauch etwas „ungünstig“ auf die Nase des Tornados. Dort sind einige Antennen, wenn der Schlauch diese mit zu viel Wucht traf würden sie abbrechen, und diese Mission vorzeitig beenden.

„Vielleicht holst Du vorsichtshalber schon mal die Frequenzen und die grobe Richtung für Nellis raus. Wenn Vader 5 den Schlauch abreist, müssen wir alle diverten (zum Ausweichflugplatz).“ Sagte ich zu meinem WSO auf dem hinteren Sitz.

„Schon erledigt, Steering nach Nellis ist vorbereitet, wenn wir es brauchen!“ – exzellent! In sich verändernden Situationen mitzudenken, ohne extra etwas ansprechen zu müssen, ist eine der Tugenden, die wir sehr schätzen. Hatte ich aber ehrlich gesagt auch nicht anders erwartet.

You need to stay ahead of the Game!

Als wir an der Reihe waren, führten wir wieder unsere Checks durch, und fuhren den Ausleger aus. Wir mussten beim ersten Versuch den Korb treffen, sonst müsste Vader 3 auch noch einmal tanken. Das galt es zu verhindern, außerdem wurde die Zeit zu unserer Time over Target (TOT) langsam knapp. NO Pressure!

„Contact, good flow!“ , wir bekamen Treibstoff. Wir nahmen das absolute Minimum auf was wir brauchten, um die Mission zu Ende zu fliegen.

„Vader’s, fuel check, 1 is 6.4“

„3 is 6.4“

„4 is 6.6“

„5 is 6.7“

Das sollte reichen.

Dieser Teil war, wie sich am Ende herausstellte, der aufregendste der Mission. Ich meine, der Rest war auch cool, in 100‘ Fuss (30m) Höhe durch die Tiefflugroute, heißer Waffeneinsatz mit Bordkanone (Volltreffer btw J ) und Landung in ElCentro NAS (wir versuchten sogar auf dem aufgemalten Flugzeugträgerdeck der Landebahn zu landen, klappte aber nicht wirklich).

Auch von dieser Mission gab es unzählige „Lessons Learned“ – viele davon würden den Rahmen dieses Blogs sprengen. Hier nur eine allgemeine:

Lesson Learned

Wenn etwas schief gehen kann, dann wird es das irgendwann auch. Es ist besser auf alles vorbereitet zu sein, als sich seiner Sache zu sicher zu werden. Im englischen nennen wir das „complacency“ – Leichtsinn. Zugegeben waren wir am Tanker noch nicht ganz in die Falle getappt, und ich glaube wir haben die Situation ganz gut gelöst – das hätte aber ohne einen guten AAR Plan und ein detailliertes Briefing auch anders aussehen können.

Der Schlüssel zum Erfolg einer jeden Mission ist etwas, was wir „Situational Awareness“ (SA) oder Situationsbewusstsein nennen. Es ist die Grundlage jeder Entscheidung. Verlieren wir die SA – verlieren wir die Mission.

Wir sprechen in einem der nächsten Blogs noch etwas mehr über dieses Thema. Für heute belassen wir es dabei:

“Situational Awareness is what you need to know, not to get surprised!”