Top Gun Debrief

by | Jan 28, 2020

T.O.P.G.U.N. – Debriefing

Wenn die Räder am Ende des Fluges wieder sicher am Boden sind, der Flieger in den „Chocks“ geparkt ist, und die Triebwerke langsam herunterlaufen ist die Mission „complete“ – richtig? …Richtig!

Nein…noch nicht. Erst muss noch der Papierkram erledigt werden. Aber dann können wir uns nach getaner Arbeit doch endlich ein Bier an der Bar gönnen, oder?

Nein, auch nach dem Papierkram ist die Mission noch nicht beendet. Auch wenn das durchaus manchmal erfrischend wäre, wir können den letzten noch ausstehenden Punkt unseres Missionsprozesses nicht einfach weglassen.

Das Debriefing!

Es geht noch nicht an die Bar (da findet dann evtl. auch noch eine Art „Debriefing“ statt – aber erst später)!

Kein anderer Teil des Mission Prozesses in der Militärischen Luftfahrt ist so wichtig wie das „Debriefing“. Ich würde auch behaupten, dass diese Art der Missionsanalyse in keiner anderen Branche mit einer derartigen Konsequenz gelebt wird, wie in der militärischen Jetfliegerei.

Ich könnte mir einen Flug ohne Debriefing gar nicht vorstellen, auch wenn ich zugeben muss, dass es das eine oder andere Debriefing auch mal bei einem kleinen Bierchen oder einem Jacky Coke gegeben hat.

Aber warum wenden wir diese extra Zeit jedes Mal nach einem Flug auf, auch wenn das durchaus lästig und unangenehm sein kann?

Ich sag Ihnen warum. Weil das der Teil des Prozesses ist, in der echte „Top Guns“ erst wirklich gemacht werden. Die Analyse der letzten Mission ist immer Grundlage für die nächste. Jede neue Erkenntnis, jede neue Erfahrung fließt in die nächste Mission ein. Die kleinste Abweichung vom Plan wird analysiert, der kleinste Fehler angesprochen. Wir können uns es einfach nicht leisten, Fehler zweimal zu machen. Idealerweise funktioniert alles schon bei ersten Mal. Wenn nicht, müssen wir herausfinden warum.

Auch dient das Debriefing der Reflektion dessen, was in der Luft wirklich alles passiert ist. Sie bekommen da nämlich gar nicht alles mit. Kleines Beispiel dazu:

Eine Ausbildungsmission zum Luftkampf in der Fortgeschrittenen Ausbildung auf der T-38 in den USA dauert ca. 50min (reine Flugzeit). Darin sind 20min An-und Abflug zum Übungsluftraum enthalten. Bleiben noch ca. 30min zum „arbeiten“. In diesen 30min schaffen sie, wenn es gut läuft, vielleicht fünf sog. „Luftkampf Setups“. Jedes dauert maximal 2min. Der Rest geht mit Setup Administration drauf. Der Flugschüler bekommt also rund 10min reale Luftkampfzeit – dazwischen ist er beschäftigt die Formation zu halten, seine Flugparameter zu kontrollieren und mental einigermaßen an Bord zu bleiben, dass gar keine Zeit hat alles sofort genau zu realisieren.  Er hat in diesem Stadium noch gar keine Kapazitäten frei, um jeden einzelnen Luftkampf selbst zu analysieren. Das erfolgt erst im Debriefing. Lernen findet zu ca. 75% erst im Debriefing und in der mentalen Reflektion danach statt – und nicht direkt in der Luft.   

Mit Fehlern zurechtkommen

Zugegeben ist der Umgang mit Fehlern nicht ganz leicht. Wenn ich in Managementtrainings die Aussage höre, man müsse jeden Fehler feiern und sich freuen das Fehler passieren, kann ich jedes Mal nur mit dem Kopf schütteln. Jetzt mal ganz ehrlich – Fehler sind scheiße! Niemand macht gerne Fehler. In der Luft schon gar nicht. Mit der Einstellung „ist ja nicht so schlimm, wenn mir heute ein Fehler passiert“, würde niemand in ein Kampfflugzeug einsteigen.

Fakt ist aber, das Fehler passieren – die perfekte Mission gibt es nicht – sie erinnern sich vielleicht an den Blog vom 13. Januar (it’s not about perfection…). Trotzdem wollen wir aber genau das versuchen, und darum müssen wir wissen was und warum etwas nicht wie geplant gelaufen ist.

„The Nameless, Rankless Debriefing“

Der oben genannte Begriff wird sehr häufig im Zusammenhang mit Debriefings bei Kampfflugzeugbesatzungen genannt. Er soll verdeutlichen, dass persönliche Befindlichkeiten, Dienstgrade und Anschuldigungen im Debriefing nichts zu suchen haben. Es geht einzig und alleine um Fakten. Zugegeben klappt das nicht immer, aber meistens. Gerade in den Zeiten von genauer Datenaufzeichnung während des Fluges, sind die zur Verfügung stehenden Informationen zur Analyse sehr viel genauer geworden, so dass subjektives Empfinden immer mehr der Objektivität weichen kann.  Das macht die Sache etwas leichter.

Was bedeutet „nameless and rankless“?

Man nennt es deshalb „nameless and rankless“ (keine Namen, keine Dienstgrade), weil man einerseits das Debriefing „entpersonalisieren“ möchte und andererseits Hierarchien außerhalb des Cockpits keinen Vorrang über Fakten haben sollen. Um diesem Vorgehen noch etwas mehr Nachdruck zu verleihen, wird in vielen Einsatzstaffeln am Türrahmen zu den Briefing Räumen sogar Klettband angebracht. Die Namensschilder der Piloten werden dann vor Betreten des Raums abgenommen und hier für die Dauer des Briefings „geparkt“. Das führt praktisch dazu, dass keiner mehr seinen Namen und Dienstgrad mit in den Raum nimmt – das einzige was im Debriefing zählt, sind die jeweiligen Rollen innerhalb Mission. Die Verantwortung über die Mission und die Durchführung des Debriefings hat immer der eingeteilte Formationsführer. Ganz gleich welchen Rang oder Erfahrungsstand er hat. Die Flügelmänner oder „Wingmen“ bekommen auch später ihren  „Speaking Part“. Bei einem Ausbildungsflug kann es natürlich auch andere Konstellationen geben – wenn ein Pilot zum Formationsführer durch einen Fluglehrer ausgebildet wird zum Beispiel.

Eine andere Technique dies zu unterstützen, ist die Art und Weise wie die beteiligten Piloten im Debriefing angesprochen werden. Hier sollen nach Möglichkeit keine Namen benutzt werden, sondern das jeweilige Rufzeichen während des Fluges, oder eine andere Bezeichung.

Zum Beispiel: „At this point during the engagement, the Fighter (oder auch Rufzeichen: “Titan 1”) started to lose airspeed because he began pulling too hard in order to get in a shooting position. This caused his energy state to decrease and he started to lose angles against the bandit.”

Hier wird ganz sachlich ein Fehler angesprochen, ohne das es gleich persönlich wird.

Das kann dabei helfen die Konversation auf sachlicher Ebene zu halten und persönliche Wertungen zu vermeiden. Denn es geht uns nur um Fakten. Uns interessiert die Ursache, warum Dinge nicht wie geplant gelaufen sind. Wenn zum Beispiel individuelle Fehler gemacht werden, sind diese meistens das Resultat von ungenügendem Training. Diese versuchen wir dann durch extra Training zu beheben.

Meistens passieren Dinge aber, weil schlecht kommuniziert wird oder Situational Awareness verloren geht. Nun gilt es herauszufinden, warum diese Dinge passiert sind.

Es geht nicht darum einen Schuldigen zu finden!

Es gibt nämlich sehr selten immer nur eine einzige Ursache für Fehler. Meist sind es verschiedene Dinge, die ungünstig zusammenkommen und eine Fehlerkette aufbauen. Wir wollen herausfinden, an welchem Punkt das genau passiert ist. Dann gilt es für zukünftige Missionen eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Am wichtigsten: Struktur!

Damit ein Debriefing dieser Art funktionieren kann, ist es wichtig eine genau definierte Struktur einzuhalten. Diese sollte auch jeder Teilnehmer kennen.

Es beginnt immer mit einer genau definierten Zeit – diese wird so festgelegt, dass jeder Teilnehmer genug Zeit hat seine Daten zu sammeln und entsprechend vorzubereiten. Diese Zeit muss so gewählt werden, dass ein Bezug zur Mission besteht – für uns bedeutet das am selben Tag, gleich nach der Mission. Das ist so vielleicht nicht in jeder anderen Branche umsetzbar, aber es sollte nicht erst eine Woche nach Abschluss eines Projektes sein – da sind die Leute mit dem Kopf schon wieder im nächsten Projekt und wertvolle Daten gehen verloren.

Safety First!

Bevor die Agenda abgearbeitet wird, fragt der Formationsführer, ob jemand ein signifikantes Sicherheitsproblem in der Luft erkannt oder erlebt hat (übersetzt: hat sich jemand wirklich nicht sicher gefühlt – das kommt selten vor, zum Glück).  Das klärt man am besten immer gleich zu Beginn. Dann steigen wir in den Debriefing Flow ein. Es gibt dabei immer nur einen „primary talker“ – den Formationsführer. Ein Debriefing ist keine Diskussionsrunde wo jeder einfach seinen Senf dazugeben kann – jeder bekommt die Gelegenheit zu sprechen, aber zu seiner Zeit.

Im Folgenden wird die Mission im Detail analysiert, jede Abweichung vom idealen Ablauf wird festgehalten und die Ursache dafür notiert.

Always debrief to perfection!

Der Fokus liegt dabei meist auf Fehlern, das liegt in der Natur der Sache. Allerdings sollte man gute Handlungen und Entscheidungen ebenfalls deutlich herausstellen, denn auch hier können wertvolle Lessons Learned vorhanden sein.

Ebenfalls ist es interessant zu wissen, ob Dinge während der Mission oder des Projektes Dinge passiert sind, die nicht in der Planung berücksichtigt wurden und plötzlich aufgetreten sind. Wenn das passiert ist, warum war das so? Was kann man tun, um so etwas zukünftig zu verhindern?

Der letzte Punkt der Agenda ist die Dokumentation dieser Lessons learned. Diese sollten als Minimum für alle sichtbar notiert und dokumentiert werden. Als Kampfpilot lernen wir immer aus individuellen persönlichen Fehlern, und den Fehlern anderer. Innerhalb unseres Missionsprozesses ist das ein fast natürlicher Prozess – wir tun das schließlich jeden Tag.

Eine lernende Organisation

Innerhalb einer Organisation ist der Umgang mit Fehlern und Lessons Learned nicht ganz so einfach. Schließlich müssen diese Information in die Organisationsprozesse einfließen und nicht nur in die Erfahrungen einzelner Mitarbeiter – was machen wir, wenn diese Mitarbeiter mal die Organisation verlassen? Verlieren wir dann auch diese Erfahrungen? Das wäre fatal!

Das wird nur funktionieren, wenn Lessons Learned konsequent dokumentiert werden, Prozesse und Verfahren angepasst kontinuierlich verbessert werden, und Mitarbeiter freiwillig relevante Informationen liefern. Das ist eine riesige Herausforderung für große Unternehmen.

Als Kampfpiloten wissen wir, wie wichtig der Umgang mit Fehlern ist. Viele unserer Regeln, Vorschriften und Verfahren sind entstanden, weil Fliegerkameraden einen hohen Preis dafür bezahlt haben.

Unser Mission Prozess Von Planung – Briefing – Durchführung und Debriefing wird in dieser Form seit über 100 Jahren in der Militärfliegerei angewendet – weil er funktioniert!

Mein T.O.P.G.U.N. Debriefing Tool hilft Ihnen dabei, einem Debriefing die nötige Struktur zu geben. Wenn Sie dazu mehr Informationen wünschen, kontaktieren Sie mich!

„Learn from the mistakes of others, you won’t live long enough to make them all yourself!”

(Pilot Quote, origin unknown)